Sophia erhält als erster Roboter (in?) Staatsbürgerschaft in Saudi Arabien

Leo: Nein, kein Witz, und es ist auch nicht der 1. April: Saudi Arabien hat dem schon recht gut mit menschlichen, weiblichen Gesichtszügen ausgestattetem Roboter Sophia von Hanson Robotics im Rahmen einer Veranstaltung staatsbürgerliche Rechte verliehen. Ausgerechnet Saudi Arabien, dem Land, das eben erst im September Frauen das Autofahren erlaubte, und wo Frauen erst seit diesen Tagen an großen Veranstaltungen teilnehmen dürfen. Aber vielleicht ist dieser Schritt mit der staatlichen Anerkennung der Roboterin Sophia nicht nur ein PR-Gag, sondern auch ein kleiner weiterer Schritt auf dem Weg zur rechtlichen Befreiung der Frau in Saudi Arabien.

Neugierig geworden auf Sophia? Einfach mal diese Videos ansehen.

Nr.1: von der Veranstaltung Future Investment Iniative in Saudi Arabien. „Charmant“ beantwortet darin Sophia die im Interview gestellten Fragen:

Nr.2: Sophia in Diskussion mit einem männlichen Kollegen:

 

und Nr.3: Sophia auf Reisen: im TV-Interview bei den Engländern:

 

Und plötzlich tauchen sie überall auf. Das Erwachen beginnt:´

Auch Fauna-Roboter demonstrieren erstaunliches:

 

Bei aller Bewunderung oder Erstaunen, das diese Videos auslösen, dürfen die warnenden Stimmen nicht überhört werden: dass diese Entwicklungen eventuell kein gutes Ende nehmen für die ganze Menschheit. Und diese warnenden Stimmen kommen nicht von irgendwem, sondern von renommierten, ernstzunehmenden Personen: Hawkins, Musk, Gates, etc… Daher der dringende Rat, sich dieses letzte Video anzusehen und drüber nachzudenken, was zu tun ist, um potentielle Horrorszenarien nicht Wirklichkeit werden zu lassen und den Dämon nicht zu befreien:

 

Wie auch immer, diese Videos eignen sich gut für Halloween im 21. Jahrhundert.

Leonardo

Shelleys Frankenstein im 21. Jahrhundert

Leo: Der kalte Sommer ( „Jahr ohne Sommer“ ) des Jahres 1816, mehr als 200 Jahre her, war Geburtsstunde von zwei Literaturgattungen, deren Anziehungskraft bis heute anhält.

Vor wenigen Wochen stöberte ich bei meinen regelmäßigen, bibliophilen Besuchen in meinen bevorzugten Buchhandlungen der Stadt zwei neue Buchausgaben auf:

FANTASMAGORIANA
Geisterbarbiere, Totenbräute und mordende Porträts„, herausgegeben von Markus Bernauer, erschienen bei Rippberger & Kremers:

Fantasmagoriana - 1

Aus dem Klappentext:

„Fantasmagoriana“ – so hieß eine französische Sammlung deutscher Schauergeschichten, die meisten dem romantischen >>Gespensterbuch<< entnommen. Diese Sammlung regte 1816 am Genfer See Mary Shelley zu „Frankenstein“ und Lord Byron und seinen Freund John Polidori zu den ersten Vampir-Erzählungen an. Die Nacht der gemeinsamen Lektüre von „Fantasmagoriana“ durch die jungen Briten im Jahr ohne Sommer inspirierte fast 200 Jahre später Ken Russell zu den phantastisch-surrealistischen Bildern seines Kultfilmes >>Gothic<<. Die herausragende Sammlung erscheint hier erstmals mit den deutschen Originalen.

und

„Der Vampir“ von J. W. Polidori / Lord Byron, herausgegeben von Reinhard Kaiser, erschienen im C.H.. Beck Verlag textura:

Der_Vampir - 1 (1)

auch hier der Klappentext:

Im kalten Sommer des Jahres 1816 mit seinen endlosen Regenfällen und schauderhaften Gewittern betraten gleich zwei >>Gespenster<< die Bühne der Literatur, die aus den Medien mittlerweile nicht mehr wegzudenken sind: der künstliche Mensch des Dr. Frankenstein und der blutsaugende Vampir. Letzterer ist Protagonist zweier Erzählungen von Lord Byron und seinem Leibarzt John Polidori, die hier erstmals, neu übersetzt von Reinhard Kaiser, auf Deutsch in einem Band vereint sind.
Hervorgegangen sind die beiden Stücke aus einem Wettbewerb im Gespenstergeschichten Schreiben, den Byron initiiert hatte. Während dessen eigene Erzählung aber Fragment geblieben ist, wurde „Der Vampir“ von Polidori von einem geschäftstüchtigen Verleger später unter Byrons Namen veröffentlicht und schuf so den modernen Mythos des literarischen Vampirs, der keineswegs nur ein Gewalttäter, sondern auch ein Edelmann und Verführer ist. Auch Goethe hat sich täuschen lassen. Er las Polidoris Erzählung und nannte sie >>Byrons bestes Produkt<<
John William Polidori (1795-1821) begleitete den britischen Dichter Lord Byron (1788-1824) im Sommer des Jahres 1816 als Leibarzt an den Genfer See, wo die beiden auf Percy und Mary Shelley, die spätere Autorin des Frankenstein, trafen und sich mit einem folgenreichen Wettbewerb im Gespenstergeschichten Schreiben die Zeit vertrieben.

Mary Shelley also, gewann vor 200 Jahren diesen Schreibwettbewerb mit ihrem Frankenstein:

Frankenstein - 1.jpg

Dieser Roman gilt als Auslöser für die bis heute anhaltende Welle an phantastischer Literatur und als „Geburtshelfer“ der nachfolgenden Myriaden an technologischen Geschichten, die erst im 20. Jahrhundert den Genre-Namen „Science Fiction“ erhalten sollten. Frankenstein, der Prototyp des künstlichen Menschen, an dem in unseren Tagen so vehement hard- und softwaremäßig gearbeitet wird.

Und plötzlich taucht Mary Shelley für mich in diesen Tagen erneut auf :
Bei meinen Surfgängen durch die Netzwelt stoße ich auf die Seite Shelley.Ai.

Rechtzeitig zu dem bevorstehenden Halloween wird dort ein KI-Algorithmus vorgestellt, der beim Schreiben von Gespenstergeschichten hilft!
Bei einem meiner letzten Blog-Beiträge habe ich von intelligenter Software (Stichwort „Bestseller Code“ und „Qualifiction“ ) berichtet, die Texte lesen kann, analysiert und einigermaßen zuverlässig Bestseller voraussagen kann.
Nun also die nächste Stufe: SCHREIBEN von Belletristik, Schreiben der beliebten Gespenstergeschichten.
Klugerweise führt das hochkarätige Entwicklerteam vom MIT Media Lab SHELLEY nicht als separat schreibende Konkurrenz zu den menschlichen Autoren ein, sondern als Schreibhelfer, der Inspiration für die eigene Phantasie bieten soll. So sollen also die Geschichten in Kooperation und im dauernden Wechselspiel zwischen Mensch und Algorithmus geschaffen werden. Pfiffig: Als automatisierte Schnittstelle wurde einfach die Plattform Twitter einbezogen. Hierüber kann im Wechselspiel die Geschichte erarbeitet werden. So werden im 21. Jahrhundert phantastische Erzählungen geschrieben! Die Autorenschaft haben bei dieser Literaturschaffung SHELLEY und eine wechselnde Menge an Menschenautoren (Twitterer)  gemeinsam, denn jeder kann sich aufschalten und „mitschreiben“. Die Geschichten sind sofort öffentlich und werden bereits bei der Entstehung mitgelesen, ob auf Twitter oder auf der SHELLEY-Seite. Auch Lob und Kritik kann sofort über Twitter die Geschichten beeinflussen.

Erst seit dem 23. Oktober ist SHELLEY auf Twitter „aufgetreten“. Beeindruckend wieviel Geschichten bereits am Laufen sind.

Die Fortschritte der KI auf dem geisteswissenschaftlichen Sektor sind immens.  In Sachen Literatur startete sie zunächst als Leser und Kritiker, und nun also als kreativer Schreiber. Wir erleben hier hautnah die Entstehung einer neuartigen Literaturgattung, geschaffen von kooperierenden Autorengruppen zusammen mit einem intelligenten Programm. SHELLEY hat mit Sicherheit alles Wesentliche des Genres „gelesen“, „kennt“ erfolgreichen Stil und Form und „weiß“, wie man die Leser zum Schaudern bringt. Und bei der laufenden „Zusammenarbeit“ mit den Menschen wird es weiter lernen und seine Kenntnisse verfeinern.
Irgendwann wird es anfangen, die Geschichten alleine zu schreiben.

Ich bin selbst sehr überrascht über die Geschwindigkeit und Wucht der Entwicklungen, trotzdem ich sie ja stets auf diesem Blog angekündigt habe.

Leonardo

Es kann zuhören und Stimmen imitieren wie die Leierschwänze.

Leo: In der Natur findet sich alles. Vorbildhaft. In Australien gibt es einen besonderen Vogel: den Leierschwanz (Menurida). Dieser Vogel, der zur Ordnung der Sperlinge gehört, beherrscht eine ungewöhnliche Kunst:  Dank seines besonderen Stimmorgans kann er alle möglichen Geräusche (Motorsägen, Motoren, Alarme, Gewehrschüsse, Klicken von Kameraverschlüssen oder ähnliches) imitieren, aber auch mit Leichtigkeit den individuellen Gesang anderer Vögel oder andere Tiere (beispielsweise das Bellen von Hunden) nachmachen und auch… das Hervorbringen menschlicher Stimmen gelingt täuschend (Mehr bei Wikipedia).

Auf Englisch heißt der Leierschwanz Lyrebird. Vor kurzem stieß ich auf die Seite lyrebird.ai. Mit großem Erstaunen las ich, was dort angeboten wird:

Das Programm Lyrebird auf dieser Seite soll es möglich machen, mit nur kurzen Aufzeichnungen der eigenen gesprochenen Stimme eine künstliche Stimmkopie zu generieren, die man für alle Sätze einsetzen kann. Ein Stimmenimitator im Netz für die eigene Stimme. Ein digitaler, Ki-gestützter Leierschwanz. Wie verrückt ist das denn!
Ich habe es noch nicht ausprobiert, werde es aber demnächst. Ob das genauso seltsame Gefühle hervorruft wie damals vor vielen Jahrzehnten als ich zum ersten Mal meine Stimme auf meinem Tonbandgerät vernahm?

Sich auszumalen, wie dies in Zukunft genutzt werden könnte, fällt nicht schwer:

  • man könnte einem Avatar bei Online-Spielen seine Stimme verleihen oder
  • die Stimme im Auto-Navi durch seine eigene ersetzen
  • Autoren könnten ihre Hörbücher mit ihrer eigenen Stimme produzieren.
  • auch im Radio tun sich neue Möglichkeiten auf: ob bei Hörspielen oder den gesprochenen Nachrichten; Sprecher könnten entlastet werden
  • Filme könnten mit der „Originalstimme der Schauspieler“ in die fremde Sprache synchronisiert werden.
  • usw.

Ein großer Schritt hin zum künstlichen Menschen, denn die menschliche Stimme ist etwas sehr individuelles und ein bedeutender Teil der Persönlichkeit eines jeden. Klar, die Missbrauchsmöglichkeiten liegen ebenso nahe wie die positiven Auswirkungen. Doch dies gilt immer.

Leonardo

Google zum dritten: Googles KI erobert neues Intelligenzniveau

Leo: Im Frühjahr hatten wir noch von Googles Go-Programm ALPHAGO MASTER berichtet, das in Vergleichskämpfen den menschlichen Weltmeister und andere Profis sensationell geschlagen hat. Nun legt Googles KI-Abteilung „Deepmind“ nach und berichtet über eine neue, erstaunliche Weiterentwicklung seines künstlichen Go Spielers. Die Bekanntmachung erfolgte im renommierten Wissenschaftsjournal „Nature“. Neuer Name der Go-„Intelligenzbestie“: ALPHAGO ZERO.

Hatte das Vorgängerprogramm sich die hohe Spielstärke durch Nachspielen tausender Spiele menschlicher Profis antrainiert, so brachte sich ZERO das Spiel komplett selbst bei und erreichte seine unübertreffliche Spielstärke durch reines Spiel gegen sich selbst, und das in Rekordzeit von 40 Tagen. Bei einem Vergleichswettkampf gegen den hochgelobten Vorgänger ALPHAGO MASTER über 100 Partien erreichte es einen Score von 100:0.

Ich halte dies für sensationell. Dieser Zuwachs im Selbstlernmechanismus der künstlichen neuronalen Netze hat damit ein Niveau jenseits der menschlichen Leistungsfähigkeit erreicht. Hier zwar „nur“ bei einem anspruchsvollen aber letztlich spielerischen Sektor, doch die Übertragung auf noch tiefergehende und komplexere Frage-/ Aufgabenstellungen/ Lebensbereiche ist vorgezeichnet. Evolution von Intelligenz erfolgt schwergewichtig durch Lernen und Training, und dies scheint ALPHAGO ZERO grandios zu beherrschen.

Details können direkt auf der website DEEPMIND oder auf NATURE nachgelesen werden.

Interessant auch die Presseberichte (Auswahl): The Guardian und die deutschen Seite: Mobile Geeks

Leonardo

Und nochmal Googles virtuelle -reale Welten

Leo: Wen es nicht mit Google Maps hinaus in den Weltraum zieht, und wer sich eher zu Kulturthemen hingezogen fühlt, aber sein Heim wegen schlechten Wetters, chaotischen Verkehrs und/ oder wenig Zeit und schmalem Restmonatsbudget nicht verlassen möchte, oder wenn jemand aus gesundheitlichen Gründen ans Haus gefesselt ist, der kann  mit Hilfe von virtuellen Rundgängen im Streetview-Modus weltweit Museen oder andere Kultur- und Kultstätten besuchen. Ein guter Ausgangspunkt ist dafür Googles
„Art & Culture“ Plattform. Ob moderne Kunst, Nationalparks oder aktuelle Ausstellungen in der näheren Umgebung, für Abwechslung und reichhaltige Angebote für Kunst-/ Kulturhungrige ist gesorgt. Täglich wachsen die Besichtigungsmöglichkeiten. Auch die Technik der virtuellen Bewegung durch die Orte wird permanent verbessert.
Ich empfehle als Basistest an einem dieser wetterschmuddeligen Herbsttage einen Besuch im wundervollen Rijksmuseum in Amsterdam.
Wer sich nach dem zeitlich begrenzten, virtuellen Besuch die niederländische Kunst dauerhaft nach Hause holen möchte, und noch für Bücher zum Anfassen was übrig hat, dem sei an dieser Stelle Marcel Wanders 2015 erschienenes Buchwunder
Rijk, Masters of the Golden Age“ (ISBN: 978-9491525292) empfohlen.

Marcel_Wanders_Rijks_MastersoftheGoldenAge_Overview

Das Buch gibt es in unterschiedlichen Ausführungen: Gold oder Silber und in  zwei Formaten. Beschrieben und beworben werden die drei Editionen:

„Designer Marcel Wanders has presented his latest project at the book fair in Frankfurt (2015): the art book ‘Rijks, Masters of the Golden Age’. It is an homage to the 17th-century Dutch masterpieces from the Gallery of Honour of the Rijksmuseum in Amsterdam.

The book brings us eye to eye with over 60 iconic paintings. Each piece is experienced up close with the most surprising details, as the finest printing techniques bring these paintings to life. 28 critical thinkers from the worlds of philosophy, art, film, food, trend, business and design explain how their perception of the world has been influenced by one of these paintings.

First, a Unique Art Edition crafted completely by hand with a gold-plated emblem and gold plating, 2,5D printed reproduction, handwritten calligraphy, textile pages and hand lacquered paintings. This version weights 40 kilograms and measures 70 x 50 x 9 cm. The Limited Edition at 35 kilograms with the same dimensions, has silver plating and is printed with the finest inks. Finally, an unlimited 5-kilogram coffee table edition is available for wider distribution, measuring 33.2 x 23.7 x 5 cm.“

Das Reichsmuseum Amsterdam hat sich für die Gestaltung ihres Museumsbesuches einen ihrer renommiertesten Designer ausgesucht: Marcel Wanders. Damit wurde nicht nur der Inhalt zur Abbildung von Kunst, sondern das Buch selbst zu einem Kunstwerk. Jedem Bibliophilen geht das Herz auf beim Aufschlagen dieser Folianten.

Die riesengroßen, limitierten Editionen sind eher was für Investoren mit viel Präsentationsraum und großem Geldbeutel (Preis ca. 5.600 €, incl. Spezialstuhl/ -tisch), aber es gibt ja noch die kleineren Varianten, die wiegen zwar auch noch knapp 5 kg und haben eine ordentliche Foliantengröße von über 30 cm. Diese sind auch trotz wundervoller Ausstattung und rundum Goldschnitt deutlich günstiger. Vor Ort in Amsterdam im Museumsshop für 125 € zu haben. Die virtuellen Besucher können diese Edition natürlich sich auch über Online-Buchhandlungen ins Haus bestellen.
Auch bei mir ist diese „kleinere“ Edition

Rijks - 1.jpg

bestellbar. Mein Angebot: 89 € versandkostenfrei). Es ist nur ein Exemplar verfügbar.

Leonardo

Google Maps ermöglicht Spaziergang durch Weltraumstation und visuelle Besuche von Planeten und Monden.

Leo: Ich erinnere mich noch sehr genau an mein erstes Erlebnis mit Google Maps und meine Begeisterung über die visuelle, virtuelle „Fahrt“ vom Arbeitsplatz in der Hamburger Innenstadt nachhause in Sasel, im Nordosten Hamburgs. Ich konnte mich nicht sattsehen an der grandiosen Funktionalität dieses Google Features. Es war einfach toll, auf sein eigenes Haus zu zoomen, auch wenn die benutzten Bilder Jahre alt waren. Dann kam viel hinzu, Routenplanung und Navigation, Streetview, das vielen zu intime Einblicke bescherte, usw. Google Maps eroberte nach der „Landnahme“ die Meere und auch die antike Geschichte Roms. Auch die 3D-Realisierung wurde immer realistischer. Wieder einmal sorgt nun Google Maps durch eine Erweiterung für Furore: Wer schon immer mal einen Spaziergang durch die Weltraumstation mit all seinen Details machen wollte und auch Blicke aus den Fenstern der Station auf unsere Erde werfen wollte,Raumstation - 1
Screenshot Google Maps

wer sich von der Erde weg „beamen“ und in Umlaufbahnen um andere Planeten (Mars, Pluto usw.) oder deren Monde begeben wollte, also eine phantastische virtuelle Reise durch unser Planetensystem vom Sofa aus unternehmen wollte, der erprobe diese neue Ergänzung von Google Maps. Die NASA stattete Google mit den notwendigen Bildern hierfür aus.

Schöne neue Welt auf der Frankfurter Buchmesse

Leo: Letzte Woche besuchte ich wie jedes Jahr zwei Tage lang die Frankfurter Buchmesse. Mein Hauptinteresse liegt dabei nicht bei den großen Publikumsverlagen und ihren kurzlebigen Belletristikeditionen, sondern bei der integrierten Antiquariats-messe (Plausch mit den Kollegen), den Kleinverlagen und den Sachbüchern ausländischer Verlage. Außerdem sauge ich tief den Flair und die aktuellen Stimmungen beim Bummel durch die Hallen ein. Es kommt zu kurzen Stippvisiten interessanter Vorträge, Sichten von Autoren und/oder Prominenten (z.B. Udo Lindenberg), usw. Ich habe bei vielen Messebesuchen immer wieder festgestellt, dass die überraschendsten und ansprechendsten Begegnungen und Entdeckungen in der Regel häufiger erfolgen, wenn man sich treiben lässt und dem Zufall Gelegenheit für sein Spiel lässt.

Verblüfft wurde ich diesmal auf einen kleinen Stand eines Start-ups aufmerksam: an der Begrenzungswand stand in großen Lettern „Qualifiction. Bestseller-DNA. Software zur Vorhersage von Buch-Erfolgen.“. Das weckte sogleich mein Interesse, insbesondere da ich ja erst vor einigen Wochen ein Buch mit dem Titel „Der Bestseller Code“ gelesen, ja verschlungen hatte. Das Buch, erschienen 2016 von Jodie Archer und Matthew L. Jockers, beschreibt die erfolgreiche Algorithmenentwicklung zum Lesen, Analysieren, Beurteilen von Texten und Voraussagen von Bestsellererfolgen schöner Literatur, aber auch von Sachbüchern. Archer und Jockers informieren darin über Ihr in 2016 abgeschlossenes Projekt. Näheres findet sich auch auf  der neuen Website der Autoren. Erst im August 2017 war die deutsche Ausgabe bei Plassen erschienen, die ich dann fast am Stück gelesen hatte:

bestsellercode

Und nun knapp zwei Monate nach der Lektüre des Buches erfahre ich auf der Buchmesse, dass es ein junges, nur wenige Monate altes Kleinunternehmen in Hamburg gibt, das sich anschickt, die gleichen Ziele wie Archer und Jockers zu verfolgen, um mit schlauer Software literarische Qualität zu beurteilen und Verkaufsfähigkeit vorauszusagen.

Riesen-Tool für die Verlage? Oder doch Aushöhlung des Lektorenberufsstandes? Ratgeber für Autoren? Software, die selbst Bestseller schreibt?
Wie weit wird diese erst vor kurzem begonnene Entwicklung gehen? Man darf gespannt sein.  Am Stand hatte ich dann eine intensive Diskussion mit den Machern:
Dr. Ralf Winkler und Gesa Schöning.

Nun bricht KI mit Macht in Literatur, Kunst und Geisteswissenschaft ein. Da haben wir bald einiges zu erwarten.

Leonardo

mehr Lesen? weiterführende links: Website „Qualifiction“ und wer möchte: in der FAZ wurde von einem konkreten Versuch auf der Messe berichtet. FAZ
(leicht und locker, nicht so ganz ernst zu nehmen, aber die neuen Entwicklungsrichtungen sind doch sehr bemerkenswert).

Bodyhacking: Cyborgs in Hamburg

„Dieser „Cyborg“ öffnet Türen mit einem Chip unter der Haut.
Der Hamburger Patrick Kramer ist einer von rund 4000 deutschen Bodyhackern. Statt Schlüssel trägt er einen Mikrochip in seiner Hand….“
(HA, 5.10.2017)

Leo: Die Cyborgs sind längst unter uns, und es werden immer mehr. Ja, es könnte zur „Mode“ werden oder zum „Hype“ sich ausweiten.
In einem längeren Artikel berichtet das Hamburger Abendblatt über Dr. Patrick Kramer in Bergstedt, einem der nordöstlichen Stadtteile in Hamburg, der sich einen Chip unter die Haut setzen liess. Diese Erweiterung erleichtert ihm u.a. einige  Schlüsseldienste. Er sperrt damit z. B. seine Wohnung und sein Auto auf. Doch damit sind die Möglichkeiten längst nicht erschöpft: er hat auf dem Implantat seine digitale Visitenkarte, sein Social-Media-Profil, einen medizinischen Notfallpass mit Adressen, Blutgruppe, Krankenkasse. Mit eingesetzten elektronischen Implantaten setzt Dr. Kramer auf eine Zukunft, die den Cyborg, also eine Mischung oder Erweiterung des Menschen mit elektronischen Bauteilen, auf die nächste menschliche Entwicklungsstufe heben soll. Bereits seit drei Jahren lebt Kramer mit dem Fremdteil in seinem Körper. Nebenwirkungen gab es anscheinend nicht.
Patrick Kramer vermarktet sich selbst und seine Cyborg-Existenz, siehe seine homepage, und hat eine neue Firma -„DIGIWELL„- gegründet : Geschäftsmodell „Upgrade your Body“.

Leoonardo

Das Schachspiel, das All und die verbindende Mathematik

Technologische Fortschritte, neue Erkenntnisse und Fähigkeiten, wissenschaftliche und wirtschaftliche Umwälzungen, alles bewegt sich beschleunigend, ja stürzt geradezu einer nächsten Zukunft entgegen. Und wir werden mitbewegt, mitbeschleunigt wie in einem Strom in Richtung auf einen Katarakt. Dies hinterlässt ein mulmiges Gefühl, setzt uns bei allen Blogbeiträgen und Nachrichten immer wieder in Erstaunen. Bewusst oder unbewusst wird das rasante Wachstum, mit der alle Entwicklungen einhergehen, wahrgenommen.

Ich hatte des öfteren darauf hingewiesen: zeichnet man diese Bewegungen im Zeitverlauf auf, so ergeben sich Kurven, die alle eines gemeinsam haben:  die Graphen steigen sehr lange Zeit fast waagrecht linear nur schwach an, um dann ab einem bestimmten Punkt sich vermehrt zu krümmen und sehr rasch nahezu in die Senkrechte überzugehen.
Diesen immensen Anstieg macht man sich meist nur unzureichend klar. Um es deutlich zu machen, diene die „Reiskornlegende“, die vielfach in diversen Varianten erzählte Geschichte der Erfindung des Schachspiels, als staunenswertes Beispiel:

Mit diesem Schachspiel:

Schach_Reis_1 - 1

lernte ich von meinem Vater das Spiel. Das ist nun fast 60 Jahre her. Brett und Figuren und auch mein erstes Schachbuch (s. Bild) habe ich heute noch.
Doch packen wir die Figuren in die Schachtel.

Schach_Reis_2 - 1 (1)

Denn im Nachfolgenden ist einzig das Brett mit seinen 64 Feldern wichtig:

Schach_Reis_3 - 1

Schon sehr bald nach Erlernen des Zauberspiels hörte ich oder las ich über die legendäre Entstehungsgeschichte des Schachspiels. Das so oder in vielfältigen Abwandlungen immer wieder erzählt wird:

Der Brahmane Sissa Ibn Dahir, der im 3. oder 4. Jahrhundert in Indien lebte, erfand das Spiel, das noch Tschaturanga hieß, um dem tyrannischen Herrscher-könig Shihram, der sein Volk drangsalierte, spielerisch beizubringen, dass er ohne Bauern und Figuren nicht gewinnen kann. Diese „Belehrung“ gelang rasch und der König von Indien war begeistert von dem Spiel. Er bot Sissa an, sich selbst eine Belohnung für diese wunderbare Erfindung auszudenken.
Sissa erbat sich nur die Menge an Reiskörner, die man zusammenbekäme, wenn man auf das erste Feld des Brettes ein Korn, auf das nächste zwei, auf das folgende vier und dann auf jedes nächste Feld die doppelte Anzahl des vorhergehenden lege.
Das kam dem König lächerlich wenig vor, ja geradezu beleidigend wenig angesichts der Großartigkeit des neuen wertvollen Spieles.
Als man jedoch zu rechnen anfing, wurde schnell klar, dass man sehr bald in große Zahlen, ja schließlich unvorstellbare Größenordnung geriet. Und der König erkannte die Weisheit des Philosophen.

Diese wunderbare, märchenhafte Schilderung der Entstehung des Schachspiels grub sich tief in mein Gedächtnis ein und begleitete mich mein Leben lang. Die dahinterstehende glanzvolle mathematische Verdoppelungs-Folge (exponentielle Folge) verlor nie ihre Anziehungskraft.

Jahrzehnte nach dem ersten Kennenlernen der „Reiskornlegende“ nutzte ich diese Geschichte in den 1980er Jahren während eines Einführungskurses in die Programmiersprache „C“, einer sehr verbreiteten Sprache, die zu Anfangszeiten des PC die Sprache „BASIC“ abzulösen begann.
Mein Lehrbuch dazu war das berühmte C-Lehrbuch von Kernighan – Ritchie:
book-kernighan-ritchie
Unser Kursleiter stellte uns Thema/ Problemlösung für unseren ersten eigenständigen
C-Programmierversuch frei. Ich wählte die alte Schach-Reiskornlegende und setzte es in ein dialogorientiertes C-Progrämmchen um. Mit Nachhilfe des Kursleiters wurde es voll funktionsfähig und so konnte ich es auch zuhause an einem meiner ersten Heim-PCs (VOBIS) nach Laden eines C-Compilers (Übersetzerprogramm) für mein Anwendungsprogramm „Reiskornlegende“ ausprobieren. Es war so ausgelegt, dass man auf Anforderung die Feldnummer 1…64 eingab und das Programm ermittelte die Reiskornanzahl auf dem jeweiligen eingegebenem Feld.
Beim Feld 64 spuckte es diese riesige Zahl
9223372036864775808
aus. Eine Zahl mit 19 Stellen: 9.223.372.036.864.775.808
(in Worten:
Neuntrillionen-zweihundertdreiundzwanzigbilliarden-dreihundertzweiundsiebzigbillionen-sechsunddreisigmilliarden achthundertvierundsechzigmillionen-siebenhundertfünfundsiebzigtausend-achthundertundacht Reiskörner nur auf dem letzten 64.Feld.)
Die Summe der Reiskörner auf allen Feldern beträgt (die doppelte Zahl des 64.):
18.446.744.073.709.551.615 (18 Trillionen…)
Kein Wunder, dass der indische König den Belohnungswunsch von Sissa nicht erfüllen konnte und auch kein Wunder, dass die Standardtaschenrechner der achtziger Jahre mangels ausreichender Stellenanzeige diese Zahl nicht ermitteln und darstellen konnten.
Und zu dieser Zahl gelangt man durch „lediglich“ 63-malige Verdoppelung beginnend
bei 1.

Wiederum Jahrzehnte später habe ich vor kurzem, in Vorbereitung dieses Beitrages, die Zahlenverdoppelungsfolge in ein Tabellenkalkulationsprogramm (Excel) eingegeben. Excel hat längst Programmierkenntnisse (wie damals C) weitgehend überflüssig gemacht. Die Verdoppelung der Reiskörner auf dem Schachbrett:

Schach_Reis_4 - 1

ergibt in Sekundenschnelle in der Excel-Tabelle:

Schach_Reis_4a - 1

ab 50 geht es so richtig in die Vollen, und bei Verdoppelung des 50. Feldes geht Excel ein wenig in die Knie und beginnt bei einer Billiarde ein  klein wenig ungenau zu werden (Rundung auf 0 bei der letzten Stelle); Programm Numbers von Apple macht übrigens an dieser Stelle das gleiche.

Schach_Reis_4b - 1

Rasch lässt sich mit Excel die Zahlenkolonne in eine Grafik wandeln. Für die Hälfte der Felder (bis 32) zeigt sich nachstehender Verlauf:

schach_Reiskörner_5Dia2

So richtig sichtbar wird die Verdoppelung erst ab Feld 25, 26, doch dann geht es sehr  steilkurvig aufwärts zu den großen Zahlen.

Schauen wir uns mal die Grafik für alle 64 Felder an:

schach_Reiskörner_5Dia1

Ähnlicher Kurvenverlauf, die Skala ist um viele Größenordnungen gewachsen. Feld 32 hat sich zu den anderen nahe der x-Achse gereiht. Die exponentielle „Lösung“ (Explosion, Take off) vom nahezu linearen Verlauf nahe der x-Achse beginnt erst bei Feld 55, 56, aber dann mit größerer Steilheit als in der Grafik mit den 32 Feldern in den Trillionenbereich.

Da sich kein Mensch diese Größenordnungen richtig vorstellen kann, muss man zu plastischen Beispielen greifen, um diese Zahlen begreifbar zu machen. Viele gute Beispiele finden sich im Netz. Gut gefallen hat mir diese filmische Darstellung der Reiskornlegende auf YouTube. Sogar google maps wurde zu Hilfe genommen, um die resultierende „dreidimensionale Bedeckung“ Deutschlands darzustellen:

 

Noch nicht beeindruckt von der Wucht exponentiellen Wachstums?

Ich werde mal ein eindimensionales Vergleichsbeispiel geben: Nehmen wir an, die  Reiskörner seien alle nur 1mm lang (um einfacher zu rechnen) und wir legen die Reiskörner nicht aufeinander sondern hintereinander, sodass sie eine wachsende Strecke bilden.
Nach der Hälfte der Schachfelder (32) erhalten wir eine 2.147 km lange Reiskornstrecke.
Zwischen dem 40. und 41. Feld erreichen wir mit unserer Reiskörnerkette bereits den Mond (ca. 400.000 km).
Mit dem 49. Feld sind wir schon bei der Sonne angelangt (Ca. 150 Millionen Kilometer).
Ab da rechnen wir der Einfachheit halber mit einer anderen Einheit: die Astronomen haben die mittlere Entfernung von der Erde zur  Sonne (149.597.870 km) als 1 Astronomische Einheit (AE) festgelegt.
Alle Reiskörner auf allen 64 Feldern erreichen hintereinander gelegt, die Hälfte der Entfernung zu Proxima Centauri dem nächsten Stern (ca. 266.000 AE).
Natürlich erreichen wir Proxima Centauri wg. Verdoppelung bereits nach 65 Feldern (zweites Schachbrett daneben gelegt). Das Licht braucht dazu mehr als vier Jahre.
Sehr rasch mit nur wenigen Schachfeld-Reiskörner-Verdoppelungen durcheilen wir nun die Milchstraße und anschließend einige überschaubare Felder weiter kommen wir an den Rand unseres sichtbaren Universums. Die Entfernung zu dem Rand dieses sichtbaren Universums wird von den Astronomen mit 46,6 Milliarden Lichtjahre angegeben. Ein schönes künstlerisches Abbild gibt es bei Wikipedia zu sehen.

Schwirrt ein wenig der Kopf? Ok, dann ist mein Ziel erreicht: Ich wollte verdeutlichen, welche Wucht diese Verdoppelungskurve in sich trägt. Man kann sich die Auswirkungen dieser Explosion kaum groß genug ausmalen.
Übertragen wir nun diese exponentielle Kurvenform, die Verdoppelungsthematik  auf die Vermehrung unseres Wissens und die Entwicklungen unserer Technologien, auf die Kapazitäten und Rechengeschwindigkeit unserer Computer, so können wir ahnen, was uns bevorsteht. Dass der Kurvenverlauf so erfolgt, ist ohne Zweifel. Einzig offen ist die Frage, an welcher Stelle, auf welchem „Feld“ wir aktuell stehen und wie nahe wir dem „Take Off“ sind.
Verschärft wird die Entwicklung zudem noch durch zunehmende, beeinflussende Triggerung bisher getrennter Themenfelder und durch sich generell verkürzende Zeitverläufe für den Verdopplungsablauf.
Eine wachsende Zahl von Wissenschaftlern hält einen „Take Off“ bei der Künstlichen Intelligenz innerhalb der nächsten Dekade für wahrscheinlich. Das heißt, die wichtigste Weggabelung für die Menschheit liegt noch in unserem Lebenserwartungshorizont.
Wir müssen darüber nachdenken und reden!

Leonardo

mehr Lesen? weiterführende links: empfehlenswerter Blog von Tim Urban:

The AI Revolution: The Road to Superintelligence